GEDICHTE LESUNG-READING: FREITEXT-HASLACH

10.03.2017 FREITEXT #3

gelesen haben: Satis Shroff, Ulrich Passmann, Ernest Mal, Beate Ruf, Erika Prümm, Richard Ahbe, David Lorenz, Barbara Noack

Texte: von Satis Shroff:




Der Verlust des Sohnes einer Mutter 
Sie betet Shiva von den Schneegipfeln an
Für Frieden auf Erden, und ihres Sohnes Wohlbefinden.
Ihr einzige Freude, ihre letzte Hoffnung,
Während sie den Terrassenacker
Auf einem schroffen Hang bestellt.
Ein Sohn, der ihr half,
Ihre Tränen zu wischen
Und den Schmerz in ihrem mütterlichen Herz zu lindern.
Ein Johnny Gurkha ist endlich unterwegs
Man hört es über den Bergen mit einem Geschrei.
Es ist ein Offizier von seiner Einheit.
Ein Brief mit Siegel und ein Pokergesicht
Eine Welt bricht zusammen
Und kommt zu einem Ende.
Ein Kloß im Hals der Nepali Mutter.
Nicht ein Wort kann sie herausbringen.
Weg ist ihr Sohn, ihr kostbares Juwel.
Ihr einzige Versicherung und ihr Sonnenschein.
In den unfruchtbaren, kargen Bergen,
Und mit ihm ihre Träume
Ein spartanisches Leben, das den Tod bringt.

Glossar:
Shiva: Gott der Zerstörung in Hinduismus
Johnny Gurkha: Eine Bezeichnung für die Nepalis die in Englands Gurkha Einheiten (z.B. King Edward’s Own Gurkha Rifles) dienen. Sie leisten auch heute noch ihren Eid auf die britische Königin und ziehen u. a. vor dem Buckingham Palast als Ehrenwache auf. Britische Gurkhas dienten in Malaysia, Indonesien (Borneo), Hongkong, Brunei, Zypern und neuerdings auch in Kosovo und Irak.
*****

Mein Alptraum (Satis Shroff)
Wenn die Nacht nicht so Kalt ist,
Wenn ich im Bett bin
Träume ich von einem entfernten Land.
Ein Land wo ein König über seinen Reich regiert
Ein Land wo es noch Bauern gibt, ohne Rechte,
Die Felder bestellen, die denen nicht gehören.
Ein Land wo die Kinder arbeiten müssen,
Und keine die Zeit für Tagträumerei haben.
Wo Mädchen das Gras schneiden
Und schwere Körbe auf dem Rücken tragen.
Winzige Füße, die steilen Wege gehen.
Ein Land, wo der Vater Holz sammelt und zerstückelt,
Die schließlich nur ein Paar Rupien bringen,
Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.
Ein Land, wo unschuldige Mädchen
Ihre rechte Hand ausstrecken,
Und werden mit Dollars belohnt.
Ein Land, wo eine Frau weiße, rote, gelbe und lila
Tabletten und Pillen sammelt,
Von den altruistischen Touristen, die vorbei laufen.
Die meisten sind weder Ärzte noch Krankenschwestern.
Dennoch verteilen Sie Pillen,
Sich ohne Gedanken zu machen über die Nebenwirkungen.
Die Nepali Frau besitzt eine Arsenal
Von potente Pharmaka.
Sie kann die fein gedruckte Hinweise nicht lesen,
Weil sie auf Deutsch, Französisch, Englisch
Oder Spanisch sind,
Die Hieroglyphen von viele ferne Grammatik.
Schwarze Buchstaben sehen aus
Wie asiatische Wasserbüffel in ihren Augen.
Kala akshar, bhaisi barabar
“ sagt die Nepali Frau.

Die Gedanken, dass sie Pillen und Tabletten
An andere Kranke Nepali Mütter oder Kinder verteilt,
Macht mir Angst.
Wie gedankenlos, diese Fremden,
Die Trekker und Bergsteiger mit Bildung,
Die medizinische Almosen geben,
Und dabei die makabere Rollen von Ärzte,
Im Schatten des Himalaya, spielen.
Glossar:

Kala: Schwarz

Akshar: Buchstaben
Bhaisi: Wasserbüffel
Barabar: ist gleich wie


Santa Fe (Satis Shroff)
Ein deutscher Professor machte mir den Hof
Und sagte, dass ich trotzdem mein Kreatives Schreiben
Weitermachen dürfte,
Wenn ich ihm heiraten würde.
Ich gab ihn das Jawort,
Schenkte ihm fünf Kinder
Und hatte fürs Schreiben keine Zeit.
Ich war ewig dabei
Pampers zu wechseln,
Popos einzukremen
Für sieben Familiemitgliedern zu kochen.
Ich staubte die vielen Fenstern und Möbeln ab.
Polierte das Treppenhaus
Räumte immer die Kindersachen auf,
In einem dreistöckigen Haus.
Ich fütterte und pflegte den Kleinen,
Lobte und streichelte den Größeren.
Ich hatte plötzlich keine Zeit
Für mich und meine Belange.
Hin und wieder hatte ich eine Inspiration
Aber ich hatte keine Zeit
Und die Gedanken sind in Luft aufgelöst.
Verloren waren meine intellektuelle Kostbarkeiten,
Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang.
Eine Müdigkeit fiel über mich.
Ich war froh, wenn ich einmal gut schlief.
Der Schlaf tröstete mich nach meiner Hausarbeit.
Die Familie war zu sehr mit mir.
Eines Tages habe ich mir auf den Weg
Nach Santa Fe gemacht,
Der einzige Ort wo ich mich frei fühlte.
Frei zu denken und auszusortieren
Und sie in meinem Laptop heranwachsen zu sehen.
——————————————-

Der Makel (Satis Shroff)
Ich lebe in ständiger Angst
Entdeckt zu werden.
Meine Frau weiß es
Meine Tochter weiß es
Sonst niemand.
Ich fühle mich wie ein Versager,
Denn ich habe einen Makel.
Die Gründe liegen im Elternhaus,
Teilweise in der Schule.
Meine Eltern hatten keine Zeit für mich
Sie schufteten und schafften.
Vater kam oft mit einer Fahne.
Er schlug auf Mutter und uns.
Mein Lehrer verprügelte mich auch.
Ich bekam Lernprobleme.
Als Kind musste ich in den Feldern arbeiten,
Denn mein Vater war Bauer.
Ich wurde als Kind vernachlässigt.
Meine Mutter hätte mir geholfen,
Aber sie war Müde und ratlos.
Ich mogelte mich durch in der Schule,
Schaffte aber den Schulabschluss nicht.
So wuchs ich als Mann auf
Ohne Lesen,
Ohne Schreiben
Zu können.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Matinee of the Dreisam Valley Choirs (Satis Shroff)

Poetry: A Dream Led to Another (Satis Shroff)